Drei Thementage: Humus, Mist, Holz. Und Fruitlands hat eine Erleuchtung.
Thementag Humus
Endlich ein laaanges Wochenende! Dieses Mal sind wir schon am Freitagabend gegen halb acht auf Fruitlands, und wir bleiben bis Montag Abend. Viel Zeit also, um viel zu schaffen! Am Morgen des Samstag rätseln wir herum, womit wir anfangen wollen. Das Wetter ist schön und die Luft mild und warm. Beste Voraussetzung für einen gelungenen Workload. Übrigens, sage ich zu David, sollten wir schon diesen Herbst den Acker für den Kartoffelanbau vorbereiten, weil wir im Februar/März sicherlich keine Lust haben werden, bei Arscheskälte den gefrorenen Lehmboden zu bearbeiten, um Kartoffeln zu setzen. So machen wir uns auf den Weg übers Grundstück, um einen guten Kartoffelackerstandort ausfindig zu machen. Hinterm Haupthaus soll er sein, beim Brunnen und dem schon vorhandnenen Quadratbeet, auf der Wiese mit 24/7 Sonnenschein. An der nördlichen Kante des Ackers wollen wir irgendwann noch reichlich Obst- und Leguminosenbäume als Sonnenfalle, Nahrungsquelle, Bodenverbesserer und Sichtschutz pflanzen. Doch erstmal findet David, dass unsere zukünftige Kartoffelanbaufläche gemäht werden muss, weil man ja sonst mit dem Pflug nicht durchkommt. Der will ja nur mähen. Ich freue mich über den vielen Mulch, der dadurch entsteht.
Da wir ja in unseren Aktivitäten immer sehr sprunghaft sind, machen wir heute Morgen noch etwas ganz anderes: wir schaufeln den Boden am oberen Eingangstor frei, weil das Tor immer so schlecht geöffnet und geschlossen werden kann. Die Hofeinfahrt ist zwar auf kompletter Länge mit Schlackesteinen (O-Ton David: „Katzenköppe nennen die das hier. Köppe, ganz wichtig, nicht Köpfe!“) gepflastert und der Innenhof auch, aber im Laufe der letzten Jahre hat sich dank Bodenerosion, Wind und Regen ein großflächiger Bodensatz aus feinstem fruchtbaren Humus auf der versiegelten Fläche abgesetzt, dank dem sie ziemlich ungepflegt und zugewuchert anmutet. Der Innenhof und die Einfahrt sind also ein riesengroßes gut gefülltes Humusrückhaltebecken. Mit Schubkarre, Schaufel, Haue und Besen schreiten wir zur Tat und schippen den feinkrümeligen wertvollen Boden vom gepflasterten Hof, bis man das windschiefe Holztor wieder besser bewegen kann. Ich jedoch finde es so genial, dass hier das Material zur Verbesserung des schweren Lehmbodens praktisch vor meiner Nase liegt und gerettet werden will, dass ich noch weitermache und mich auf dem Innenhof immer mehr vorarbeite. Schubkarre um Schubkarre legen wir die Fläche aus Schlackesteinen frei, Schubkarre um Schubkarre besten Boden sammeln wir neben dem Komposthaufen, um ihn später, wenn der Acker gepflügt ist, mit den Ackerboden zu vermischen. Ein netter Nebeneffekt dieser Aktion ist eindeutig das Erscheinungsbild des Hofes, das sich damit massiv zum Besseren wandelt. So kommt es, dass wir fast den ganzen Tag Humus schippen, bis wir nach sechs oder sieben Schubkarren keine Lust und Energie mehr haben. Obwohl wir nur ungefähr die Hälfte des Innenhofes freilegen, kann sich das Ergebnis trotzdem sehen lassen:
Thementag Mist
Am nächsten Tag, Sonntag, müssen wir irgendetwas Leises machen. Ist ja heiliger Sabbat. Das Schippen und Hacken auf den Steinen gestern war nämlich ziemlich geräuschintensiv. Ich frage mich bei sowas ja immer, bis zu welchem Grad unsere Nachbarn da tolerant sind. Bis jetzt hat jedenfalls noch niemand um Ruhe gebeten. Aber aus dem Dialog mit den Leuten hier wissen wir, dass alle sich tierisch darüber freuen, dass auf dem Grundstück endlich mal was passiert und dass es hier bald nicht mehr so usselig aussieht wie in all den Jahren davor. Ist also vielleicht sogar ganz gut, wenn sie hören, dass wir hier ordentlich was schaffen.
Etwas Leises also. Da bietet sich natürlich wieder der grausige Mistberg in der Scheune an. Zu zweit machen wir uns an die Arbeit. Diesmal geht es viel schneller, den Mist abzutragen, in die Schubkarre zu schaufeln und wegzufahren, denn letztes Mal habe ich all das alleine gemacht. Trotzdem ist diese Tätigkeit noch absolut ekelerregend. Ich bin die ganze Zeit wütend, aber nicht wegen der Arbeit. Wie kann jemand den Tieren nur so etwas antun!?! Die Schicht aus Kot ist in der Mitte der Scheune mehr als 30 Zentimeter mächtig. Böse Gedanken von Veterinärämtern und Tierquälereianzeigen schwirren mir unablässig in meinem Kopf herum.
Als wir es nach einigen Stunden Arbeit und ungefähr 15 Schubkarren Scheiße für heute gut sein lassen, spazieren wir zur südwestlichen Grundstücksgrenze, um ein paar Birnen vom Birnenbaum zu pflücken. Unten an der Straße treffen wir zwei unserer NachbarInnen, die, wie hier allgemein an den Wochenenden üblich, auf ihren Simsons über die Felder und Wege brausen, und bleiben auf einen Plausch stehen. Sie fragen uns, ob wir eigentlich noch Mist auf dem Grundstück haben. Ich bin so perplex, dass ich nur ein langgedehntes „Jaa.“ von mir geben kann, und David springt ein und erzählt von dem, was wir heute und in den letzten Wochen gemacht haben. Unser Nachbar fragt uns tatsächlich, ob er übernächste Woche vorbeikommen und sich eine Anhängerladung voll Mist für sein Beet abholen kann. Ja, bitte! Gerne! Soviel ihr wollt! Meine Einwände, dass das Zeug uralt, vergammelt und extrem widerlich sei, werden lachend überhört. Naja, nicht mein Bier. Ich für meinen Teil möchte das nicht an meinen Lebensmitteln haben, aber wenn er das möchte, stehe ich ihm dabei nicht im Weg. Möchte noch jemand Mist abholen? Ist noch was da. Ich nehme noch Terminanfragen entgegen!
Thementag Holz
Der Montag startet gut: Pünktlich um neun Uhr kommt Herr Koch, der Servicetechniker des örtlichen Netzbetreibers, wie verabredet zu uns und schaltet uns den Strom an. Fruitlands hat eine Erleuchtung! In allen Räumen von The Hive gehen die Lampen an. Die nächste Viertelstunde wuseln wir aufgeregt durch das Wohnhaus und die Nebengebäude und probieren alle Schalter aus. Vorbei ist das süße Survivalleben, in dem wir das Essen mit dem Gaskocher kochten und die Zimmer mit Kerzen beleuchteten. Irgendwie ja schade. Der Flair des Hauses verwandelt sich dadurch ein wenig. Jetzt hat es aber auch endlich mehr von einem vollwertigen Wohnhaus und weniger von einer Kleingartenlaube. Was bleibt, sind die Holzöfen, mit denen geheizt werden muss. Womit wir auch schon beim Thema wären: Holz! Mein Hauptanliegen in diesen Tagen. Meine größte Angst, eine Art Urangst, ist es nämlich, dass ich im Winter im Haus friere, und dass ich deswegen mein Studium aufgebe, weil ich mich außerstande sehe, wegen der Kälte im Haus zu leben. Deswegen bin ich ziemlich holzfixiert. Die erste Maßnahme, auf die ich also dränge, sobald der Strom in den Adern des Hauses fließt, ist der Kauf eines appropriaten Verlängerungskabels, um die Kettensäge in Betrieb zu nehmen. Gesagt, getan. David schmeißt die Kettensäge an und rückt dem Stapel Telegrafenmasten zu Leibe.
Mir ist es nach wenigen Sekunden zu langweilig, nur blöde beim Sägen zuzugucken; ich will auch was machen.
Wie genial ist bitte das Gefühl, nach mehr als 30 Jahren zufällig ein neues Talent an sich zu entdecken? Etwas, das man nicht nur auf Anhbieb gut kann, sondern das auch noch super viel Spaß macht, und von dem man nie gedacht hätte, dass genau das etwas ist, das einem total gut liegt? Genau das passiert mir genau jetzt. Aus Langeweile nehme ich mir eine Axt und probiere mich einfach mal im Holzhacken. Holzhacken! HOLZHACKEN! Tatsächlich — ich hacke zum ersten Mal in meinem Leben Holz und stelle fest, dass ich diese Beschäftigung über alle Maßen liebe. Wie befriedigend ist es, sein eigenes Feuerholz zu produzieren, das mir Wärme spenden wird, wie meditativ die Tätigkeit, die Gedanken präzise auf das Zusammenspiel von Körper, Holz und Axt zu fokussieren, wie sehr fühle ich mich dadurch im Hier und Jetzt geerdet mit der Natur und mit meinem Körper, dessen Muskeln ich mit jeder Faser spüre, wenn ich zum Schlag aushole und meine Kraft um millimeterkleine Nuancen genau auf eine bestimmte Stelle des vor mir liegenden Holzscheits lenke. Wie wunderbar ist Holzhacken!
Das einzige, das mich nervt, ist das Aufschichten der Holzscheite in der Scheune. Das ist langwierig und unterbricht meine Arbeit; ich möchte viel lieber durchgängig Holz hacken. David erbarmt sich und übernimmt für mich das Aufschichten, damit ich meiner neuentdeckten Leidenschaft unbehelligt frönen kann; er legt sowieso immer längere Pausen zwischen dem Sägen ein und ist bald nicht mehr so wirklich motiviert, noch weiterzumachen. So neigt sich auch dieser produktive Nachmittag nach und nach dem Abend zu, und irgendwann geht mein Holzvorrat zu Ende, weil David zu erschöpft ist, um neues Holz zu sägen. Also höre auch ich mit dem Holzhacken auf, obwohl ich gerne weitergemacht hätte. Verflogen ist meine Angst, im Winter kläglich zu frieren, und gestählt sind meine Arme von der vielen Arbeit im Freien. Mal wieder haben wir viel bewegt auf unserem Stück Land; mal wieder sind wir glücklich, hier leben zu dürfen!