Es ist viel passiert, seit die Temperaturen stiegen. Hier eine Zusammenfassung der letzten Wochen.
Während ich dies hier schreibe – am 30. April um kurz vor halb neun Uhr morgens – befinde ich mich mitten in einem der zahlreichen Aktionswochenenden, die wir hier auf Fruitlands in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt haben. Ja, ich war und bin etwas schreibfaul, aber ich zwinge mich nie zu irgendwelchen Sachen, die in einem regelmäßigen Turnus stattfinden müssen, folglich soll eine kleine Zusammenfassung der Dinge, die sich hier getan haben, genügen.
Anfang März haben wir ein drittes Cocktailbeet angelegt. Da diesmal ich mit der Namensgebung an der Reihe war, taufte ich es „Molotow“. Molotow ist aus Versehen 1,60 m statt 1,40 m breit geworden, was aber den Vorteil hat, dass wir dadurch drei Reihen Kartoffeln setzen konnten statt zweien. Bestückt wurde es mit insgesamt drei Sorten, deren Namen ich aber nicht weiß, außer Laura. Ferner säten wir Dill, Pastinaken, Spinat, Möhren, Erbsen und Zwiebeln, allesamt zu früh, wie ich im Nachhinein feststelle, denn bislang hat sich noch nichts blicken lassen. Learning by doing. Hier auf der Hügelkuppe in rund 300 Metern Höhe ist es merklich kälter als beispielsweise im Ruhrgebiet, wo sich unsere zweite Homebase befindet, und von nun an werden wir unser Saatgut später aussäen als auf den Verpackungen angegeben ist. Hoffen wir, dass wenigstens die Eisheiligen zur selben Zeit hier antanzen wie im restlichen Deutschland. Momentan müssen wir sogar das Wohnzimmer immer noch heizen. Aber auch das hatte ein Gutes und bringt mich elegant zum nächsten Punkt: Einer der beiden riesigen Holzstapel vorm Haus ist mittlerweile so zusammengeschrumpft, dass David das verbleibende Holz auf den zweiten Stapel schichtete. Dort, wo der erste Stapel lag, befand sich dann eine zwölf Quadratmeter große unbewachsene Fläche, wie gesagt direkt am Haus, in der sogenannten Zone 1 also, wie es in der Permakultur heißt, welche von früh bis spät mit Sonne versorgt ist. Und was, liebe Kinder, kann man mit so einem perfekten Platz machen? Ganz richtig – einen Kräuter- und Apothekengarten anlegen! Eben dies haben wir dann auch gemacht. Die Erde ist sogar ziemlich mager, sandig und mit Kies durchsetzt, also wunderbar für wärmeliebende Kräuter geeignet. Für das Anlegen des Beetes wandten wir einen guten Trick an, den wir während unseres Aufenthalts in der Community DaSeinsZeit im wunderschönen TamanGa vor einigen Wochen gelernt haben: Der Boden wird einige Zentimeter tief gepflügt und dann die Wege angelegt, indem man als Wegenetz flache Gräben aushebt, dessen überflüssiges Erdreich auf die Beete geschaufelt wird. Dadurch werden die Beete leicht hügelförmig erhöht und haben wunderbar tiefgründig lockere Erde, ohne dass man sie kilometertief umgraben muss! Für Gemüsebeete wird dann noch Grünschnittkompost und Gesteinsmehl auf die Beete gegeben und untergepflügt, aber darauf verzichten wir im Kräuterbeet und werden stattdessen einen Sack vegane Anzuchterde von Ökohum einarbeiten.
Gestern schlenderten wir über den Pflanzenmarkt in Halle und erstanden einige ausdauernde Kulturen, die jetzt bei uns in die Erde kommen. Zwei Rhabarberstauden habe ich schon ins neue Beet gesetzt, heute kommt noch Estragon, Majoran, Stevia und Pfefferminze dazu. Selbstgezogene Chilis, Kapuzinerkresse und gelbe Wildtomaten (Golden Currant) haben sich auch schon dazugesellt; trotzdem ist sie noch gähnend leer, unsere Naturapotheke. Aber gut Ding will Weile haben. Und wie gesagt ist es hier auch noch ziemlich kühl. In unserer Dortmunder Anzuchtstation warten noch etliche Kräuter darauf, Mitte Mai an ihren endgültigen Standort umzusiedeln, unter anderem Lavendel, Petersilie, Schnittlauch, Rucola, Oregano und Zitronenmelisse.
Was ist hier noch so passiert? Wir sind im Haus ein wenig mit der Renovierung des Wohnzimmers vorangekommen. Soll heißen, wir haben einen Nachmittag dafür geopfert, wie die Bekloppten den schimmelfleckigen Putz wegzuschlagen, sind aber nur halb fertiggeworden. Immerhin. Jetzt wohnen wir hier mehr denn je in einer Baustelle, was manchmal etwas ungemütlich wirkt, aber wenn es uns wichtig wäre, würden wir ja mehr Zeit und Energie reinstecken, um das zu ändern, also wird’s schon in Ordnung sein, dass es sich etwas hinzieht. David möchte vor dem Neuverputzen auch erst Netzwerkkabel in der Wand verlegen, was ich ziemlich cool finde.
Ach ja, und um unsere Energien effektiver zu bündeln, haben wir ein Brainstorming gemacht und eine nach Wichtigkeit sortierte Liste gemacht, auf der alles verzeichnet ist, was wir hier in nächster Zeit machen möchten. Diese Visualisierung war zumindest mir enorm wichtig und es tat gut, die ganzen Dinge nicht nur im Kopf gespeichert haben zu müssen, sondern auch im verschriftlichten Zustand, sodass nichts in Vergessenheit gerät. Es war auch hilfreich, endlich die Prioritäten festzulegen, mit denen die Dinge angegangen werden sollen. Das renovierte Wohnzimmer steht zum Beispiel ziemlich weit oben auf der Liste, genau wie Beete anlegen und – etwas überraschend für mich – ein Internetanschluss. Wir sind weit davon entfernt, die Liste von oben nach unten abzuarbeiten, sondern machen zwischendurch trotzdem irgendetwas eher „Unwichtiges“, was in dem Moment mehr Spaß macht. So habe ich mich neulich wie angekündigt im Verputzen von Wänden geübt, indem ich einen 25-Kilo-Eimer apricotfarbenen Silikatputz aus dem Keller hochschleppen ließ und Kelle für Kelle schwungvoll gegen die Wand der Ruine im Innenhof klatschte, aus der einmal eine Outdoorküche werden soll. Das ging ganz gut und vier Eimer von dem Zeug sind auch noch da, also werde ich zu gegebener Zeit die Ruinen/Küchen-Wand fertig verputzen, wodurch der Innenhof dann auch schöner aussehen wird.
Was wir noch gemacht haben, ist, an der Meditationshütte weiterzuarbeiten. Der ehemalige Entenstall ist ja zweistöckig und lässt von innen zu wünschen übrig (hat dafür aber das intakteste Dach von allen Hausdächern auf diesem Grundstück!), soll aber nach seinem Umbau in einen Ort des Rückzugs und der Stille nur ein großer hoher Raum mit Blick auf den Dachstuhl sein. Also begannen wir damit, die Decke, oder vielmehr den Deckenputz und die Isolierung, rauszuhebeln und wegzureißen. Auch dies war eine äußerst staubige, siffige und eklige Angelegenheit, aber es lohnte sich und inzwischen ist nur noch eine Lage dünner Bretter übrig, die wir noch herausbrechen müssen.
Du siehst, wir sind rührig. Die Natur übrigens auch, denn langsam erwacht der fruitländische Boden wieder zu voller Lebenskraft. Alle im Herbst gepflanzten Beerensträucher treiben fleißig aus und die gutbesuchten Blüten hängen in dicken Trauben an den Zweigen. Die Mirabellen zeigen zaghaft die ersten grünen Triebe, während die Felsenbirnen schon ihre wunderschön leuchtenden kupferfarbenen Blätter gegen das Sonnenlicht halten und ihre elfenzarten weißen Blütensternchen einem treuherzig entgegenlachen. Die Clematis reckt und rankt sich in Richtung des Zaunes, das Bohnenkraut hat den Winter hindurch trotzig neben ihr gesessen und beobachtet die Schokoladenminze, die sich ihren Weg durch den Mulch kämpft und schleichend mehr und mehr Platz für sich vereinnahmt. Die Wiesen unserer Ländereien sind über und über mit den dicken puscheligen Pompoms des Löwenzahns betupft. Die Grünkohlarmee steht immer noch stolz und kraus in ihrem Quadratbeet, doch sprießen ihnen nun kleine Stengel aus den Häuptern, also werden auch sie demnächst in Blüte aufgehen. Die neulich noch so kahlen, kalten Pflaumen-, Birnen-, Kirschen- und Apfelbäume sprühen ihr saftiges Grün von jedem Zweiglein, und in der Nähe des Teiches, unter zwei Walnussbäumen, wogte von einem Tag zum anderen plötzlich ein gewaltiges gelbweißes Meer von freundlich nickenden Narzissen.
Dieses Grundstück scheint tief in unsere geheimsten Gedanken und Wünsche eingedrungen zu sein, bevor es uns letztes Jahr seine Existenz enthüllte und von uns gekauft werden wollte. Das denke ich immer wieder. Hier sind so viele kleine und kleinste Details, die sowohl David als auch ich uns immer für den eigenen Grund und Boden gewünscht haben, angefangen mit dem großen gepflasterten Innenhof über die Möglichkeit einer eigenen Werkstatt und ausreichend Land für die Selbstversorgung, nicht zu vergessen mit perfekt temperiertem Kartoffelkeller, bis hin zum verwunschenen Brunnen, einem aufregend geheimnisvollen großen Dachboden mit Geheimgang und einer Durchreiche zwischen Küche und Wohnzimmer – und nun noch das; ein kleiner unbedeutender Aspekt, den ich mir insgeheim nach und nach umzusetzen vorgenommen habe:
A host, of golden daffodils,
wie in meinem Lieblingsgedicht. Aber dieses Grundstück scheint davon gewusst zu haben, wie von all den anderen unzähligen Dingen, und ist mir zuvorgekommen, hat mir auch diesen Gefallen getan, den ich niemals von ihm erwartet hätte, und mir ein Meer Narzissen geschenkt.
I Wandered Lonely as a Cloud
I wandered lonely as a cloud
That floats on high o’er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host, of golden daffodils;
Beside the lake, beneath the trees,
Fluttering and dancing in the breeze.
Continuous as the stars that shine
And twinkle on the milky way,
They stretched in never-ending line
Along the margin of a bay:
Ten thousand saw I at a glance,
Tossing their heads in sprightly dance.
The waves beside them danced; but they
Out-did the sparkling waves in glee:
A poet could not be but gay,
In such a jocund company:
I gazed – and gazed – but little thought
What wealth the show to me had brought:
For oft, when on my couch I lie
In vacant or in pensive mood,
They flash upon that inward eye
Which is the bliss of solitude;
And then my heart with pleasure fills,
And dances with the daffodils.
– William Wordsworth, 1804